Ortswechsel: mittlerweile wohne ich in Hannover. Nach einem Jahr in Kiel und danach wieder ein paar Monaten in meinem Elternhaus (verbunden mit täglichem pendeln) habe ich ENDLICH ein eigenes Zimmer in einer schnuckeligen WG gefunden. Und allmählich habe ich auch das Gefühl, hier zuhause zu sein.
Wenn ich allerdings ein Jahr zurückdenke kann ich meine momentane Situation keinesfalls mit der damaligen vergleichen und das, obwohl sie sich doch eigentlich so ähnlich sind. Vor einem Jahr wohnte ich gerade ein paar Monate in Kiel. Das erste Mal war ich ausgezogen, einige Stunden Zugfahrt von Zuhause entfernt wohnte ich nun in einer bunt gemischten 6-Personen-WG und wartete auf die Freiheit. Tatsächlich war es aber einfach so: ich wohnte einige Stunden von meinem Zuhause entfernt. Niemals habe ich mich wirklich gut aufgehoben gefühlt in Kiel, nie hatte ich das Gefühl, dort etwas zu haben, was mich dort hält (abgesehen von meinem unterschriebenen FÖJ-Vertrag). Mir fehlten soziale Kontakte, was mir gleichzeitig noch weniger Lust machte, in die Welt hinauszugehen und welche zu suchen. Ja, ich habe mich wirklich vergraben. Ich wollte nicht auf meine Mitbewohner treffen, war bei der Arbeit am liebsten alleine und fühlte mich gleichzeitig doch so unwohl. Am liebsten hätte ich mich an eine Schulter gelehnt und unter weinen einfach alles erzählt, aber genau so eine Schulter hat mir gefehlt.
Nach außen hin sah mein Leben nicht anders aus: mein Zimmer war chaotisch, ich stapelte wochenlang dreckiges Geschirr – wenn der Tisch voll war kam es eben auf den Boden. Innerhalb von mehreren Monaten schaffte ich es teilweise kein einziges Mal, pünktlich aufzustehen und zum duschen konnte mich immer häufiger nicht aufraffen.
Alles in allem: es war eine Katastrophe! Jedes Wochenende, dass ich wieder zu meinen Eltern fuhr war für mich ein gutes Wochenende, denn dann war alles wieder so, wie ich es gewohnt war, so, wie es sein sollte. Als ich mir dann um meine Zukunft Gedanken machen musste stand vor allem eins für mich fest: in Kiel bleibe ich nicht!
Anfang diesen Jahres zog ich also nach Hannover, wo ich seit Oktober studiere und wie oben schon geschrieben, ergeht es mir hier wirklich anders. Ich studiere gerne und halte die Wohnung sauberer, als ich es je von mir erwartet hätte.
Aber warum? Nun ja, auch das habe ich ganz simpel zusammengefasst schon oben geschrieben. Aus Fehlern lernt man nämlich. Mir war es z. B. bei der Zimmersuche wichtig, wirklich an einem Ort zu landen, dem ich es auch zutraue, mein Zuhause zu werden. Ich habe mir mein Zimmer von Anfang an gemütlich gestaltet und bin nicht mit der Einstellung „das wird schon noch gemütlich, ich warte einfach ein bisschen, bis sich der Kram dafür ansammelt“ eingezogen. Denn jetzt weiß ich, dass ich in einer ungemütlichen Wohnung zu fast nichts mehr in der Lage bin weil ich mich so fremd fühle. Gleichzeitig habe ich von Anfang an darauf geachtet, dass ich in meinem Umfeld nur Sachen habe, die mir gefallen oder die ich praktisch finde und konnte so auch gleich noch ein bisschen entrümpeln.
Mit einigen Dämonen habe ich allerdings noch zu kämpfen. Vor allem neue Freundschaften zu schließen fällt mich nach wie vor schwer und ich neige immer noch dazu, mich sozialen Kontakten gegenüber zu verbarrikadieren.
Und trotzdem bzw. genau deshalb bin ich jetzt in diesem Moment in der Lage, zu sagen, dass das letzte Jahr wichtig war. Nicht, weil ich sofort alles richtig gemacht und den Himmel auf Erden gefunden habe sondern, weil ich Erfahrungen gemacht habe, die es mir in genau solchen Tief-Situationen (die ja nach wie vor vorkommen) ermöglichen, dass ich etwas ändern kann. Allmählich kenne ich die Stadt, in der meine Seele wohnt und weiß, wo ich ein Schlagloch zu erwarten habe, wo die Stoppschilder stehen, wo ich Vorfahrt habe und natürlich auch, wo die Staus sind, die so viel Kraft kosten. Vor allem aber weiß ich, wo ich entlangfahren muss, um an die Orte zu kommen, die mir gut tun.